Das „Cochemer Modell“ – Wie gelingt die Konfliktvermeidung im Familienverfahren?
Wenn sich zwei Ehegatten scheiden lassen, geht dies immer seltener im Einvernehmen vonstatten, sondern zieht zahlreiche Streitigkeiten und Differenzen nach sich. Emotionale Verletzungen und ein gekränktes Ego können dann jedoch nicht nur getrennten Eltern das Leben schwer machen, sondern vor allem auch den gemeinsamen Kindern. In den 1990er Jahren entwickelte ein Richter auch zum Schutz der Kinder das sogenannte „Cochemer Modell“, das vor allem der Konflikteskalation bei einer Scheidung mit involviertem Kind vorbeugen sollte.
Das Wichtigste in Kürze: Das „Cochemer Modell“
- Das „Cochemer Modell“ wurde im Jahr 1992 entwickelt und sollte dafür sorgen, dass die Konflikte in Familienverfahren nicht eskalieren.
- Grundlegend ist das Ziel, die Trennung vor allem für die involvierten Kinder so schonend wie möglich zu gestalten.
- Nach dem Vorbild des Modells wurde das beschleunigte Familienverfahren eingeführt. Verhandlungen sollen möglichst schnell stattfinden, da lange Wartezeiten oft zu strapazierten Nerven bei allen Beteiligten führen.
Ausführliche Informationen zum „Cochemer Modell“ erhalten Sie im Folgenden.
Das „Cochemer Modell“ als Vorreiter der Deeskalation im Familiengericht
Zur Geschichte des „Cochemer Modells“
Im Jahre 1992 entwickelte Familienrichter Jürgen Rudolph – damals zuständig am Amtsgericht Cochem – eine Vorgehensweise, die eine Eskalation in Familienverfahren weitgehend vermeiden und ihnen vorbeugen sollte – vor allem in Verfahren zum Sorge- und Umgangsrecht, in denen
Kinder unweigerlich involviert waren.
Zunächst war die Cochemer Praxis ausschließlich in der Stadt Cochem gängig, doch schon bald übernahmen auch andere Amts- und Familiengerichte Teile der Verfahren. So machte das Modell nach Rudolph die Runde.
Mit Ausscheiden des Initiators Rudolph im Jahre 2008 endete gewissermaßen auch die Geschichte des „Cochemer Modells“. Aber: Mit der Familienrechtsreform im Jahre 2009 wurden zahlreiche Punkte, die ursprünglich erst durch das „Cochemer Modell“ ins Bewusstsein rückten, in das überarbeitete Familienverfahrensgesetz (FamFG) aufgenommen, sodass die Nachwirkungen vom „Cochemer Modell“ kaum zu unterschätzen sind.
Inhaltsverzeichnis
Welche Ansätze hat das „Cochemer Modell“ ins Familienverfahren eingeführt?
Zum Grundsatz der Cochemer Praxis wurde vor allem der Ansatz der frühzeitigen Intervention. Noch bevor sich erntshafte Anzeichen von Streitigkeiten zwischen den Eltern im Scheidungs- oder Umgangsverfahren zeigten, unter denen auch die Kinder zu leiden hätten, wurden den Beteiligten verschiedene Personen zur Seite gestellt, die eine Eskalation von Grund auf verhindern sollten – vor allem durch Förderung des Dialogs.
Zum Schutz der Kinder sah das „Cochemer Modell“ zudem vor, dass auch Jugendamtsmitarbeiter dem Verfahren vor, während und nach der Verhandlung beiwohnen sollten. Durch regelmäßige Rücksprachen mit den Kindern, den Einsatz von Verfahrenspflegern oder aber beratende Unterstützung der Eltern sollte das „Cochemer Modell“ die Trennung vor allem für die Kinder so schonend wie möglich gestalten.
Im Folgenden ein Überblick über die Maßnahmen, die das „Cochemer Modell“ vorsah und die auch heute noch von Bedeutung sind:
- Nachdem der Antrag auf Umgang oder Sorge eingegangen ist, soll das Gericht innerhalb von 14 Tagen einen Verhandlungstermin ansetzen.
- Sachverständige werden zur Unterstützung herangezogen, die eine Konfliktlösung herbeiführen sollen.
- Mitarbeiter von Jugendamt und Sozialem Dienst betreuen und begleiten Kinder und Eltern vor, während und ggf. auch noch nach dem Verfahren.
- Erfolgt keine Einigung im Verhandlungstermin, wird den Eltern die Teilnahme an einem Beratungsgespräch angeordnet. Hiernach erfolgt die erneute Terminvergabe innerhalb von 14 Tagen.
- Rechtsanwälte sollen sich in ihren Antragsschriften nur auf wesentliche und sachlich gegebene Fakten konzentrieren, um nicht möglicherweise Öl ins Feuer zu gießen und die Auseinandersetzung zwischen den Eltern noch zu befeuern. Diese soll auf das mündliche Verfahren beschränkt sein.
Weitere Ratgeber zum Sorge- und Umgangsrecht
Welche Folgen hatte das „Cochemer Modell“ im Familienrecht?
Wie bereits angemerkt, sind Teile der Praxis, die Rudolph entwickelte, bereits in das Standardrepertoire von Amts- und Familiengerichten übergegangen.
Und auch gesetzlich finden sich Bestandteile im neuen FamFG, wie z. B.:
- § 36a FamFG, der auf die Mediation oder andere Wege zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung abzielt
- § 155 FamFG, nach dem das Vorrang- und Beschleunigungsgebot hinsichtlich Kindschaftssachen gegeben ist
- § 156 FamFG, das als besondere Zielsetzung in Kindschaftssachen einvernehmliche Regelungen und Einigungen anerkennt
Egal welches Modell zur Anwendung kommt, eine elterliche Trennung hinterlässt immer Spuren beim Kind und das ein Leben lang. Früher oder später kommen die Erinnerungen wieder und die sind meistens nicht oder nur schwer aufarbeitbar. Idealerweise wurden diese vor den eigenen Kindern aufgearbeitet… falls nicht, wird es richtig kompliziert!
Außerdem ist bekannt, dass in Gerichtsakten oft Dinge drin stehen, die nicht gänzlich der Wahrheit entsprechen und somit einen oder gar beide Elternteile benachteiligen. Auf kurz oder lang spricht sich ein als nicht öffentliches Familienverfahren herum und man hat gesellschaftlich immer irgendeinen Stempel aufgedrückt! Mit Familie als solches hat dies dann nichts mehr zu tun.
Es ist ja löblich, wenn sie das Cochemer-Modell oder besser gesagt die Cochemer-Praxis hervorheben. Allerdings sind zwei Dinge nicht ganz richtig:
Die Cochemer-Praxis wurde von Jugendamt, Beratungsstelle, Familiengericht und den Anwälten zusammen initiiert. Hauptinitiator war damals das Jugendamt.
Die Cochemer – Praxis wurde auch nach dem Weggang des Familienrichters Rudolph bis in die Gegenwart praktiziert. Ihre rechtliche Umsetzung fand sie im aktuellen Familienrecht.
Das nur zur Klarstellung.