Abstammungsrecht – Wie wird die rechtliche Elternschaft geklärt?

Von Gitte H.

Letzte Aktualisierung am: 10. Mai 2024

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Headerbild Abstammungsrecht

Das Bild der Familie war lange Zeit klar definiert: Ein Mann und eine Frau sind verheiratet, bekommen gemeinsame Kinder und sind damit deren Eltern. Doch die Familienmodelle haben sich verändert. Immer mehr Paare leben unverheiratet zusammen oder lassen ihre Ehe scheiden. Angesichts der Möglichkeiten von Samenspenden, Leihmutterschaften, Adoption und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ist die Frage nach der Elternschaft nicht mehr so eindeutig zu beantworten. Ist der biologische Vater eines Kindes immer auch der rechtliche Vater? Wer darf eine genetische Untersuchung einfordern? Welche Rechte haben Väter? Das Abstammungsrecht liefert Antworten.

Das Wichtigste in Kürze: Abstammungsrecht

  • Als Mutter gilt immer die Frau, die das Kind geboren hat.
  • Als Vater gilt der Mann, der mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Elternschaft gerichtlich anerkannt ist.
  • Eine anerkannte Vaterschaft kann angefochten werden. Eine Mutterschaft ist unanfechtbar.
  • Es ist möglich, ein genetisches Abstammungsgutachten anzufordern, ohne dabei eine Vaterschaftsanfechtung einzureichen.
  • Wird die Vaterschaftsanerkennung verweigert, kann ein Antrag auf gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gestellt werden.

Ausführliche Informationen zum Abstammungsrecht finden Sie im Folgenden.

Abstammungsrecht in Deutschland – Was sagt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)?

Wer ist die Mutter?

Im Abstammungsrecht ist die Mutter die Frau, die das Kind geboren hat.
Im Abstammungsrecht ist die Mutter die Frau, die das Kind geboren hat.

Mater semper certa est. – „Die Mutter ist immer sicher.“ Nach § 1591 BGB gilt immer die Frau, die das Kind geboren hat, als dessen Mutter. Eigentlich selbsterklärend. Dank den Fortschritten der modernen Fortpflanzungsmedizin kann eine Frau jedoch die befruchtete Eizelle einer anderen Frau austragen.

Obwohl die Eizellenspende in Deutschland verboten ist, gibt es Frauen, die von dieser Möglichkeit im Ausland Gebrauch machen. Auch in diesem Fall besagt das Abstammungsrecht, dass die Mutter jene Frau ist, die das Kind zur Welt bringt. Die Spenderin der Eizelle ist daher rechtlich nicht mit dem Kind verwandt, auch wenn sie dessen genetische Mutter ist.

Die Mutterschaft kann nach dem Abstammungsrecht – im Gegensatz zur Vaterschaft – nicht angefochten werden.

Ebenfalls verboten ist in Deutschland die Leihmutterschaft, bei der eine Frau für die Dauer einer Schwangerschaft ihre Gebärmutter für die befruchtete Eizelle einer anderen Frau zur Verfügung stellt. Sie trägt damit das Kind anstelle der genetischen Mutter in deren Auftrag aus. Auch hier gilt nach dem Abstammungsrecht: Die rechtliche Mutter ist die Frau, die das Kind gebärt, in diesem Fall also die Leihmutter.

Wer ist der Vater?

Pater est, quem nuptiae demonstrant. – „Vater ist, wer durch die Heirat als solcher erwiesen ist.“ Als Vater gilt laut Abstammungsrecht der Mann,

  1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
  2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder
  3. dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.

Wie ist die Vaterschaft im Falle einer Scheidung geregelt?

Abstammungsrecht: Die Vaterschaft liegt beim "Noch-Ehemann", wenn die Geburt des Kindes vor der Scheidung stattfand.
Abstammungsrecht: Die Vaterschaft liegt beim „Noch-Ehemann“, wenn die Geburt des Kindes vor der Scheidung stattfand.

Wird das Kind vor der Scheidung des Ehepaares geboren, gilt der noch mit der Mutter verheiratete Ehemann als Kindsvater, auch wenn die Scheidung bereits beantragt ist.

Es ist allerdings möglich, dass einem anderen Mann, z. B. dem neuen Lebensgefährten der Mutter, die Elternschaft zugesprochen wird. Dazu muss er laut Abstammungsrecht bis spätestens ein Jahr nach der Scheidung die Vaterschaft anerkennen und der frühere Ehemann muss dieser Anerkennung zustimmen. Die Vaterschaftsanerkennung wird erst mit der Rechtskraft der Scheidung wirksam.

Wie ist die Elternschaft geregelt, wenn der biologische Vater des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt bereits verstorben ist?

Wenn beide Eltern verheiratet waren und das Kind in einem Zeitraum von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemanns geboren wird, gilt der Verstorbene als rechtlicher Vater. Hat die Mutter allerdings vor der Geburt erneut geheiratet, ist nach dem Abstammungsrecht der neue Ehemann als Vater anzusehen. Bei einer Anfechtung der Vaterschaft kann ein Gericht feststellen, dass der neue Ehemann nicht der Kindsvater ist, sondern der verstorbene Ehemann.

Waren die Eltern unverheiratet und hat der Vater vor seinem Tod die Elternschaft anerkannt, gilt er auch in diesem Fall als rechtlicher Vater, sofern die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet ist.

Wichtiges zur Vaterschaftsanerkennung

  • Solange die Vaterschaft eines Mannes besteht, kann für dieses Kind keine Elternschaft durch einen anderen Mann wirksam werden.
  • Die Vaterschaft kann schon vor der Geburt des Kindes anerkannt werden.
  • Die Mutter bzw. der gesetzliche Vertreter des Kindes muss der Anerkennung zustimmen.
  • Sowohl die Anerkennung als auch die Zustimmung müssen öffentlich beurkundet werden.
  • Eine Vaterschaftsanerkennung kann widerrufen werden, wenn sie ein Jahr nach der Beurkundung noch nicht wirksam geworden ist.

Anfechtung der Vaterschaft

Besteht Uneinigkeit über die anerkannte Vaterschaft, erlaubt das Abstammungsrecht die Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung. Wird die Anfechtung rechtskräftig, besteht die Elternschaft des bisherigen rechtlichen Vaters nicht länger.

Wer kann die Vaterschaft anfechten?

Die Vaterschaft kann durch verschieden Personen angefochten werden:

  • die Mutter,
  • das Kind,
  • den Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist,
  • den Mann, dessen Vaterschaft wirksam anerkannt ist, und
  • den Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben.

Wenn ein Mann der Kindsmutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat und dies an Eides statt versichert, kann er die bestehende Elternschaft durch einen anderen Mann anfechten unter der Voraussetzung, dass er der leibliche Vater des Kindes ist. Das Abstammungsrecht definiert die Empfängniszeit als den Zeitraum vom 300. bis zum 181. Tag vor Geburt des Kindes.

Hat ein Vater zu dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut, kann seine Elternschaft nicht von einem anderen Mann angefochten werden.
Hat ein Vater zu dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut, kann seine Elternschaft nicht von einem anderen Mann angefochten werden.

Gilt der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet war, als rechtlicher Vater und hat er zu dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut, kann dessen Vaterschaft nicht durch einen anderen Mann, auch nicht den leiblichen Vater, angefochten werden.

Von einer solchen Beziehung wird gesprochen, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt, weil er z. B. längere Zeit mit ihm im gleichen Haushalt zusammengelebt hat. In diesem Fall können aber immer noch die Mutter, das Kind und der rechtliche Vater selbst die Elternschaft anfechten. Ist diese Anfechtung erfolgreich, kann die Vaterschaft des leiblichen Vaters wirksam anerkannt werden.

Ist ein Kind, das die Vaterschaft anfechten möchte, minderjährig, wird es durch einen gesetzlichen Vertreter repräsentiert. In der Regel ist dies ein vom Gericht bestellter Pfleger.

Welche Fristen gelten für die Anfechtung?

Das Abstammungsrecht besagt, dass eine Vaterschaft innerhalb von zwei Jahren angefochten werden muss. Diese Frist beginnt für den Anfechtenden zu dem Zeitpunkt, an dem er von den Umständen in Kenntnis gesetzt wurde, die gegen die bestehende Vaterschaft sprechen. Hat ein Vater z. B. Grund zur Annahme, dass seine Ehefrau ihm ein „Kuckuckskind“ untergeschoben hat, beginnt seine Frist zur Anfechtung der Vaterschaft ab dem Zeitpunkt, in dem in ihm dieser Verdacht aufkommt. Vielleicht hat er erfahren, dass seine Frau ein außereheliches Verhältnis hat, oder ihm ist aufgefallen, dass sein Kind keinerlei äußerlichen Gemeinsamkeiten mit ihm aufweist. Solche Momente markieren der Fristbeginn für die Vaterschaftsanfechtung. Die bestehende Vaterschaft muss in dem Moment bereits wirksam anerkannt sein. Der frühestmögliche Fristbeginn ist die Geburt des Kindes.

Eine Ausnahme macht das Abstammungsrecht, wenn der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes es versäumt hat, die Vaterschaft rechtzeitig anzufechten. In dem Fall kann das Kind mit Eintritt in die Volljährigkeit selbst anfechten. Die Frist beginnt auch hier ab dem Zeitpunkt, ab dem das Kind von den Umständen erfahren hat, die gegen die Elternschaft sprechen, frühestens aber mit Beginn der Volljährigkeit.

Muss eine Vaterschaft angefochten werden, um die biologische Abstammung zu klären?

Das genetische Abstammungsgutachten bedarf der Zustimmung aller Beteiligten.
Das genetische Abstammungsgutachten bedarf der Zustimmung aller Beteiligten.

Soll die biologische Elternschaft geklärt werden, ohne dabei die rechtliche Beziehung zwischen Vater und Kind zu beeinträchtigen, kann dies auch ohne Anfechtung geschehen. Laut Abstammungsrecht müssen dazu alle Beteiligten einwilligen, ein genetisches Abstammungsgutachten einzuholen.

Lehnt ein Elternteil oder das Kind dies ab, können die anderen Familienmitglieder bei einem Gericht für Familienrecht beantragen, dass es die fehlende Einwilligung ersetzt. Dies geschieht unter Berücksichtigung der besonderen Lebenslagen und Entwicklungsphasen des Kindes. Ist zu erwarten, dass die Klärung der biologischen Abstammung eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellt, setzt das Familiengericht das Verfahren in der Regel aus.

Das Abstammungsgutachten ist im allgemeinen Sprachgebrauch als Vaterschaftstest bekannt. Um diesen durchzuführen, ist es notwendig, den Beteiligten DNA-Proben wie z. B. Speichelproben, Blutproben oder Haare mit Haarwurzeln zu entnehmen. Es handelt sich dabei um einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und benötigt daher das Einverständnis der betreffenden Person – oder ersatzweise die gerichtliche Einwilligung. Labore, die Vaterschaftstests durchführen, müssen akkreditiert sein, um eine hohe Qualität der Sachverständigen zu sichern.

Wird ein Abstammungsgutachten erstellt, bei dem gemäß dem Abstammungsrecht nicht die Einwilligung aller Beteiligten vorliegt und diese auch nicht durch eine gerichtliche Anordnung ersetzt wurde, begeht der Auftraggeber eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann. Labore, die nicht zulässige Abstammungsgutachten erstellen, haben mit noch deutlich höheren Bußen zu rechnen. Die gesetzlichen Bestimmungen zur genetischen Abstammungsuntersuchung sind im Gendiagnostikgesetz (GenDG) festgehalten.

Was ist, wenn keine Vaterschaft besteht?

Abstammungsrecht: Erkennt kein Mann die Elternschaft an, wird diese gerichtlich festgestellt.
Abstammungsrecht: Erkennt kein Mann die ELternschaft an, wird diese gerichtlich festgestellt.

Wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt unverheiratet ist und es keinen Mann gibt, der die Elternschaft anerkennt, wird diese nach dem Abstammungsrecht gerichtlich festgestellt. Bei dem Verfahren wird der Mann als Vater vermutet, der der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Bestehen allerdings schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft, wie z. B. aufgrund einer Zeugungsunfähigkeit des betreffenden Mannes, gilt diese Vermutung nicht. Als Empfängniszeit wird nach dem Abstammungsrecht der Zeitraum vom 300. bis zum 181. Tag vor Geburt des Kindes definiert.

Wie ist die rechtliche Elternschaft bei einer Adoption geregelt?

Bei einer Adoption geht laut Abstammungsrecht die rechtliche Elternschaft von den biologischen Eltern auf die rechtlichen Eltern über und erlischt für die leiblichen Eltern. Diese sind dann von allen elterlichen Rechten und Pflichten entbunden, wie z. B. dem Sorgerecht und der Unterhaltspflicht.

Vor Einführung der Ehe für alle war homosexuellen Paaren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nur die sogenannte Sukzessivadoption möglich. Dabei konnte ein Partner ein Kind adoptieren, das der andere Partner bereits vorher adoptiert hat. Auch war es ihm möglich, das leibliche Kind des Partners zu adoptieren, sofern dieser auch rechtlicher Elternteil ist. Eine gleichzeitige Adoption durch beide Partner war jedoch nicht möglich. Mit der Ehe für alle sind die homosexuellen Paare den heterosexuellen rechtlich gleichgestellt. Eine gemeinsame Adoption durch schwule oder lesbische Ehepaare ist nun erlaubt.

Über den Autor

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Gitte H.

Gitte hat Germanistik und Kommunikationswissenschaften studiert und ist seit 2017 ein Mitglied des scheidung.org-Teams. Im Familienrecht befasst sie sich vor allem mit den Themen Unterhalt, Sorgerecht und Erbrecht.

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