Was geschieht mit Erbe und Erbvertrag bei Scheidung der Ehe?

Von Jana O.

Letzte Aktualisierung am: 15. November 2023

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Header Erbe nach Scheidung

Im Rahmen vermögensrechtlicher Auseinandersetzungen, die im Zuge einer Scheidung durchzuführen sind, tauchen zahlreiche Fragen auch zu möglichen Erbansprüchen auf. Haben die Ehegatten zu Lebzeiten einen Ehe- und Erbvertrag aufgesetzt, in dem etwaige Erbansprüche geregelt wurden, herrscht dann Unsicherheit über das Erbrecht eines geschiedenen Ehegatten. Aber welcher Anspruch auf das Erbe besteht bei Scheidung? Und was geschieht eigentlich mit einem während der Ehezeit erworbenen Erbe bei der Vermögensteilung?

Das Wichtigste in Kürze: Erbe bei Scheidung

  • Ehegatten haben neben Erben der ersten und zweiten Ordnung sowie gegenüber den Großeltern des Erblassers ein gesetzliches Erbrecht.
  • Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten kann im Rahmen eines Testaments gewillkürt, d. h. den eigenen Wünschen nach angepasst und abgewandelt werden.
  • Im Falle einer Scheidung erlischt das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten automatisch mit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit.
  • Dies gilt regelmäßig auch im Falle eines Testamentes oder eines Ehe- und Erbvertrages.

Nähere Informationen zum Erbe bei Scheidung finden Sie im Folgenden.

Welches Erbrecht besteht nach der Scheidung?

Grundlegendes zum Ehegattenerbrecht

Welche Einflüsse hat eine Scheidung auf eine Erbschaft und Erbteilsansprüche?
Welche Einflüsse hat eine Scheidung auf eine Erbschaft und Erbteilsansprüche?

Anders als Kinder oder andere Verwandte eines Erblassers werden Ehegatten bei der Erbfolge gesondert betrachtet. Sie werden dabei keiner der Ordnungen von Erbberechtigten beigeordnet, sondern durch das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bestimmte Ehegattenerbrecht unter besonderen Gesichtspunkten beachtet.

Ehegatten und eingetragene Lebenspartner treten im Erbrecht neben die Erben erster und zweiter Ordnung sowie die Großeltern des Erblassers. Der jeweilige Erbteilsanspruch eines Ehepartners richtet sich dabei stets nach dem während der Ehe bestehenden Güterstand.

Nicht immer jedoch bleiben Ehegatten tatsächlich bis ans Lebensende zusammen. Beendet eine Scheidung das gemeinsame Leben vorzeitig, stellt sich oft auch die Frage, ob etwaige Ansprüche des Partners auf das Erbe auch nach rechtskräftiger Scheidung fortbestehen.

Erbschaft nach Scheidung: Kein Testament vorhanden

Im Erbrecht ist grundlegend zu unterscheiden zwischen der gesetzlichen und der gewillkürten Erbfolge. Hat der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen zu Lebzeiten erlassen – in Form eines Testaments oder Erbvertrags – so gilt die gesetzliche.

Das Erbrecht des Ehegatten ist in den §§ 1931 bis 1934 BGB bestimmt. Festgeschrieben ist dabei auch, wann der Erbanspruch entfallen kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls die Scheidung der Ehe abzusehen war:

„Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten sowie das Recht auf den Voraus ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.“ (§ 1933 BGB)

Das bedeutet: Hatte der Verstorbene bereits die Eheauflösung bestimmt, hat der überlebende Ehegatte keinen Anspruch mehr auf das Erbe bei Scheidung. Ähnliches gilt auch dann, wenn das Trennungsjahr bereits Bestand hatte und die Berechtigung bestand, den Scheidungsantrag einzureichen.

Damit ist der Ehegatte nicht erst mit Rechtskraft der Scheidung vom Erbe ausgeschlossen. Aber spätestens ab dem Zeitpunkt der abschließenden Scheidung kann keine Erbschaft mehr durch den Geschiedenen verlangt werden.

Der Grund hierfür ist einfach: Der geschiedene Ehegatte fällt nicht mehr unter das gesetzlich zugesprochene Ehegattenerbrecht. Darüber hinaus ist er jedoch auch in keiner Weise gesetzlicher Erbe irgendeiner Ordnung, als er mit dem Erblasser nicht verwandt ist.

Was geschieht mit einem Erbvertrag bei Scheidung?

Müssen Sie Ihr Erbe bei Scheidung durch eine gesonderte Klausel im Erbvertrag schützen?
Müssen Sie Ihr Erbe bei Scheidung durch eine gesonderte Klausel im Erbvertrag schützen?

Im Rahmen eines Ehe- und Erbvertrages können die Ehegatten von der gesetzlichen Erbfolge abweichen und selbst Erben bestimmen. Dabei setzen sich die Eheleute in aller Regel gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen gegebenenfalls Schlusserben für den Moment, in dem beide Ehepartner verschieden sind.

Was geschieht nun aber, wenn die Vertragsparteien sich scheiden lassen? Ist der Erbvertrag trotz Scheidung gültig, als Erbe bleibt der Ehegatte bestehen? Müssen irgendwelche gesonderten Klauseln in einen solchen Erbvertrag, um für den Fall der Scheidung vorzusorgen?

Die Befürchtungen sind im ersten Moment nicht unberechtigt, da es sich bei einem Ehe- und Erbvertrag um ein rechtswirksames Dokument handelt, das gegenseitig Ansprüche begründen kann.

Aber: Der Erbvertrag wird bei Scheidung automatisch unwirksam. Die Scheidung muss dabei jedoch ebenso wenig schon rechtskräftig sein, wenn der Erblasser bereits zuvor verstirbt.

Zugrund zu legen ist hierbei § 2077 Absatz 1 Satz 1 BGB:

„Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehepartner bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist.“

Auch hierbei muss die Ehe noch nicht rechtskräftig geschieden sein, sollte der Erblasser vor Abschluss des Verfahrens verstorben sein.

Das heißt im Klartext: Ist die Ehegemeinschaft bereits aufgelöst oder ist ein entsprechendes Verfahren anhängig, wird der Erbvertrag automatisch wegen Scheidung der Ehe unwirksam. Die Ehegatten müssen hierfür keine gesonderte Klausel in den Vertrag mit aufnehmen, die den Anspruch aufs Erbe bei Scheidung ausschließt.

Fazit: Ob nun gewillkürte oder gesetzliche Erbfolge: Das Erbrecht ist bei Scheidung für den Ehegatten aufgehoben. Das heißt, dass er hiernach keinen Anspruch mehr auf Erbteile erheben kann, die bei Eintritt des Erbfalles während bestehender Ehe bestanden hätten.

Was geschieht mit einem erhaltenen Erbe bei Scheidung?

Müssen Sie bei Scheidung ein Erbe, das während der Ehe erworben wurde, teilen?
Müssen Sie bei Scheidung ein Erbe, das während der Ehe erworben wurde, teilen?

Nachdem nun eingehend das bei Scheidung aufgelöste Erbrecht des Ehegatten betrachtet wurde, bedarf es noch eines kurzen Blicks hinsichtlich erhaltener Erbschaften, die während der Ehe in das Vermögen eines Ehegatten oder beider einflossen. Müssen die Ehegatten das Erbe bei Scheidung teilen?

Lebten die Ehegatten zum Zeitpunkt der Ehe in einer Zugewinngemeinschaft, erfolgt im Zuge der Scheidung der sogenannte Zugewinnausgleich. Hierbei werden die Vermögenszuwächse beider Beteiligter einander gegenübergestellt. Auf die Differenz kann der Ausgleichsberechtigte – der Partner mit dem geringeren Zugewinn – sodann einen hälftigen Anspruch erheben.

Der Zugewinn selbst wird ermittelt, indem Anfangs- und Endvermögen festgelegt werden. Die Differenz entspricht dem Zugewinn eines Ehegatten. In diesen fließen zahlreiche Vermögenswerte hinein. Aber: In aller Regel zählt ein während der Ehe erhaltenes Erbe zum privilegierten Erwerb. Dieser wird zum Anfangsvermögen des Empfängers hinzugerechnet, sodass eine Erbschaft bei Scheidung oftmals in den Zugewinnausgleich nicht einbezogen wird.

Das bedeutet, dass ein Ehepartner in einer Zugewinngemeinschaft bei Scheidung sein erhaltenes Erbe nicht teilen muss! Als privilegierter Erwerb zählt das Erbe zum Anfangsvermögen und ist damit nicht Teil vom Zugewinn. Das Erbe bleibt damit alleiniges Vermögen des Erben.
Alleiniges Erbe bei Scheidung teilen? Das ist meist nicht notwendig.
Alleiniges Erbe bei Scheidung teilen? Das ist meist nicht notwendig.

Sind beide Ehegatten Erben zu gleichen Teilen, verhält sich dies etwas anders: Dann müssen Sie das Erbe häufig untereinander aufteilen, wenn in einem Vertrag keine entsprechende Klausel für den Fall der Scheidung vorhanden ist. Jeder Erbteil ist dann jedoch auf das jeweilige Anfangsvermögen anzurechnen, sodass es auch hier beim Zugewinnausgleich nicht beachtet wird.

Ähnlich verhält es sich bei der Gütertrennung. Nur für die Gütergemeinschaft ist ein anderer Ansatz nötig: Da sämtliches Vermögen der Ehegatten bei Eintritt in die Gütergemeinschaft zu gemeinschaftlichem Vermögen wird, kann ein Ehegatte auch während einer Ehe erworbenes Erbe hälftig beanspruchen, wenn die Scheidung ansteht.

Erbe in gemeinsames Haus gesteckt – Was geschieht bei Scheidung?

Problematisch wird es dann, wenn ein Ehepartner das ihm während der Ehezeit zuteil gewordene Erbe in die Finanzierung des gemeinsamen Ehehauses steckte. Steht der Ehegatte dann im Grundbuch als Miteigentümer, kann er bei Scheidung zumeist auf die Hälfte des Hauses Anspruch erheben. In diesem Fall wird das Erbe bei Scheidung über die Auseinandersetzung zur ehelichen Immobilie aufgeteilt. Einen Ausgleichsanspruch kann der Erbe dabei jedoch in aller Regel nicht geltend machen.

Sind Sie unsicher, welche Ansprüche auf das Erbe Sie bei Scheidung haben, wenden Sie sich an einen Anwalt für Familienrecht. Dieser kann Sie in aller Regel auch hinsichtlich des Ehegattenerbrechts im Falle der Scheidung beraten.

Über den Autor

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Jana O.

Jana hat an der Uni Greifswald Ger­manis­tik, Philosophie und Englische Literatur­wissenschaften studiert. Seit 2015 unterstützt sie das Redaktionsteam von scheidung.org. Ihre über die Jahre angeeignete Expertise nutzt sie seither, um komplizierte rechtliche Themen leicht verständlich aufzubereiten. Schwerpunkte ihrer Ratgeber sind Unterhalt, Eheverträge und Trennung.

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Was geschieht mit Erbe und Erbvertrag bei Scheidung der Ehe?
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Kommentare

  • Nadja sagt:

    Hallo liebes Scheidung.org Team

    Wenn ein Haus in der Ehe gemeinsam erworben und auch abbezahlt wurde. Besteht die Möglichkeit bei der Scheidung zu regeln, das im Falle einer neuen Eheschließung, der neue Partner kein Anrecht auf das Haus hat?
    Es geht mir darum, dass ich gerne das Haus/das Erbe für die Kinder schützen möchte.

    Vielen Dank für die Unterstützung

  • P. sagt:

    Hallo liebes Scheid.org Team, meine Scheidung ist 2016 beschieden und der Erbvertag mit meiner Frau somit Geschichte. Im Zuge der Scheidungsfolgenvereinbarung musste ich mein Haus meiner „Frau“ übertragen. Übernommen hat es letztendlich mein Stiefsohn. Im Erbvertrag war aber geregelt, dass mein leiblicher Sohn das damals mir allein gehörende Haus nach unser beiden Ableben erben soll. Im Rahmen der Scheidungsabwickelung hat meine geschiedene Frau das Haus ihren Erstgeborenen, meinen Stiefsohn komplett überschrieben bzw. übertragen weil sie mich nicht auszahlen wollte oder auszahlen konnte. Fragen: 1 Ist der Erbanspruch auf das Haus für meinen leiblichen Sohn nun auch erloschen? 2. Mein Sohn hat ja einen Pflichtteilsanspruch gegenüber seiner Mutter der aber viel geringer ausfällt als das ehemalige Haupterbe des ganzen Hauses. Kann mein Sohn seinen Pflichtteilsanspruch schon zur Lebzeit seiner Mutter einfordern oder muss er seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber seinen Stiefbruder zu welcher Zeit geltend machen? Ziel meiner geschiedenen Frau war es ja, sich vermögenslos zu stellen, da sich mein Sohn zu mir bekannt hat und bei mir lebt. Wie kann mein Sohn (noch minderjährig) seinen auf das Haus bezogene Pflichtteilsanspruch geltend machen, geht das überhaupt? Anwalt nehmen geht nicht. Mein Scheidungsanwalt hat mich ca. 26.000€ gekostet…obgleich ich nicht vermögend bin. Er hat mich über den Tisch gezogen und möchte jetzt nur noch von dem was möglich ist für meinen Sohn retten. Herzlichen Dank schon mal, wenn ich brauchbare Info´s erhalte. Beste Grüße

    1. scheidung.org sagt:

      Hallo P.,

      bitte wenden Sie sich für einen Anwalt mit Interessensschwerpunkt Erbrecht. Dieser kann diesen speziellen Sonderfall einer genauen Prüfung unterziehen und Ihre Fragen entsprechend beantworten. Eine Bewertung dieses Einzelfalls ist uns an dieser Stelle nicht möglich.

      Ihr Scheidung.org-Team

  • Ramona sagt:

    Mein Mann und ich sind in zweiter Ehe verheiratet und haben uns jetzt getrennt. Er hat eine Tochter aus erster Ehe, ich zwei Söhne. Ich bin ausgezogen und im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung haben wir Gütertrennung vereinbart und den Grundbesitz geteilt. Ob es zu einer Scheidung kommt, wissen wir noch nicht, wir wollen erst einmal getrennt leben. Zu Beginn der Ehe haben wir einen Erbvertrag mit den Kindern geschlossen. Wir haben uns gegenseitig zu Erben eingesetzt, Schlusserben sind alle drei Kinder zu gleichen Teilen. Ausserdem wurden bezüglich der Kinder die Pflichtteilsrechte bestimmt. Ich denke, in diesem Jahr brauchen wir nichts zu ändern, der Erbvertrag ist gültig. Aber was ist im nächsten Jahr, wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist, wir uns nicht scheiden lassen aber dann einer von uns stirbt? Gilt der Erbvertrag dann auch noch?

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